Projektskizze

 

Gewidmet dem unermüdlichen Lokalforscher Friedhelm Specht (1939-2016)

 

Gesamtprojekt

Der Kern des Gesamtprojekts ist die Sicherung und Nutzung des gut 350 Jahre alten Günnemann-Kottens mit Grundstück in Witten-Rüdinghausen als Kristallisationspunkt für Ortsgeschichte und bäuerliche Wirtschaftsweise der Region.

Das Erscheinungsbild des ehemals ländlich geprägten Dorfes Rüdinghausen hat sich in den letzten Jahrzehnten durch eine hohe Rate an Wohnungsneubauten und Zuzug von Industrie- und Dienstleistungsbetrieben wesentlich verändert. Lediglich einige Straßennamen erinnern daran, dass hier einst eine typisch westfälische Landschaft mit zahlreichen Bauernhöfen, Feldern, Wiesen und Wäldern prägend war. Ein großer Teil der Bewohner des Ortsteils ist mit der Geschichte Rüdinghausens und den bäuerlichen Traditionen nicht mehr vertraut. Hier kann der Günnemann-Kotten als ein „Zentrum“ im Sinne von kultureller und sozialer Bindung Abhilfe schaffen. So soll der Kotten Ort und gleichzeitig Gegenstand sein, um ins Gespräch zu kommen. Im Rahmen des Projekts wird eine kleinbäuerliche Selbstversorgungseinheit wiederhergestellt, deren hauswirtschaftliche Grundlagen vor der industriellen Überformung des Ruhrgebiets überall und in den Randbereichen noch bis in die 1970-er Jahre normaler Alltag der Menschen war.

Akteure sind die Bürgerinnen und Bürger Rüdinghausens und angrenzender Gemeinden, aber auch Schüler und Schülerinnen der örtlichen Schulen Es geht um die Schaffung eines den Dialog fördernden Ortes, der der Reflexion von Geschichte und Gegenwart dient.

Bausteine Gesamtprojekt

Das Gesamtprojekt besteht aus fünf Bausteinen:

1.      Der Kotten als lokales Geschichts- und Ortszentrum

2.      Der Kotten als Lern- und Studienobjekt

3.      Der Kotten als bäuerliche Wirtschaftseinheit (Bauerngarten)

4.      Ertüchtigung der Anbauten zum Begegnungsraum

5.      Die Renaturierung des Baches (ökologische Einheit)

 

Kernmodul

„Bindung und Begegnung durch Lokalgeschichte“

 

1)      Ziele:

a.)    Instandsetzung und Instandhaltung des Günnemann-Kottens und seines Grundstücks als Kulturerbe der spezifischen bäuerlichen Prägung der Gemeinde Rüdinghausen; 

b.)    Nutzung des Kottens und seiner Anbauten als Begegnungs- und Kommunikationsraum;

c.)    Gebrauch der Deele und der Räume des Kotten u.a. als Veranstaltungs- und Kursräume, als Lerneinheiten (Bauernzimmer, Bauernküche) und Archiv- und Studienräume für sensible Materialien des Heimatvereins Rüdinghausens;

d.)    Wiederherstellung und Erhalt der Struktur des Bauerngartens (Kräuter, Gemüse) mit Kleintierhaltung (Ziegen, Enten, Hühnern, Bienen) ebenfalls als Beispiel der bäuerlichen Tradition Rüdinghausens;

e.)    Kotten, Bauerngarten und Bachlauf sollen als Studien- und Lernobjekte in Form von Projektwochen, Ausstellungen, Jubiläen, Kursen, geschichtstopographischen Führungen und Themenjahren für bäuerliche Baugeschichte, alte Handwerkstechniken, ökologische Zusammenhänge und Wirtschaftsweisen fungieren.

f.)     Zugänglichmachung von Dokumenten der Lokalgeschichte von Rüdinghausen und angrenzender Gemeinden für die Öffentlichkeit;

g.)    Stärkung des Blicks in die Gegenwart mit Hilfe von Geschichte;

h.)    Abbau von Grenzen und Aussöhnung verschiedener Milieus;

i.)     Entwicklung der Demokratie.

2)      Erläuterung

a) Methodisch ist das Projektmodul „Bindung und Begegnung durch Lokalgeschichte“ so angelegt, dass von Anfang an Bürger und Bürgerinnen, Schulkinder und Jugendliche integriert werden. Es geht um eine intensive Beteiligung möglichst vieler Personen und Zielgruppen vor Ort unter fachlicher Anleitung.  Organisiert werden konkret Projektwochen, Ausstellungen, Jubiläen, Kurse, Vorträge, Führungen und Themenjahre.

b) Im Zentrum des Projekts soll der Günnemann-Kotten als Ort und Gegenstand zur lokalen Bindung und Kommunikation stehen. Mit der gemeinsamen Erhaltung und Wiederherstellung der Struktur des Bauerngartens soll ein Beispiel der bäuerlichen Wirtschaftsweisen des Mellmauslandes (so genannt nach dem hier traditionell häufig angebauten Gemüse Melde) rekonstruiert werden. Eines der Projektziele, den Kotten als Studienobjekt für Bau- und Handwerksgeschichte zu nehmen, soll den Blick für ökologisches Bauen und Wohnen schärfen.

c) Inhaltlich gilt es, anhand der Geschichte des Kottens die Rekonstruktion und Reflexion von Ortsgeschichte zu fördern. Ein Aspekt wird dabei die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Zeit sein, auch da sich auf dem Grundstück ein von Zwangsarbeitern gebauter Bunker befindet. Am Kotten ist zeigbar, dass auch die kleinste Einheit mit den lokalen, überregionalen und übernationalen Entwicklungen verbunden ist und hier eine Wechselwirkung besteht. Es geht darum, Geschichte zugänglich zu machen und in der Gesellschaft direkt am Ort zu verankern. Der normative Fluchtpunkt ist das Bewusstsein um die Historizität und Fragilität demokratischer Strukturen.

Zusammenfassung

Grundannahme und Erfahrung ist, dass gerade durch die Globalisierung das Lokale und Unmittelbare wieder an Bedeutung gewinnt. In der unübersichtlichen Zeit wird mit dem Kotten und dem Grundstück ein überschaubarer Raum geschaffen; ein Lernort, der es ermöglicht, die Herausforderungen und Wurzeln der neuen Zeit an einem konkreten Ort solidarisch zu analysieren und kritikfähig zu beurteilen. Über die Lokalisierung bzw. lokale Verankerung von Geschichte, wird einerseits den übergreifenden geschichtlichen Entwicklungen und Veränderungen ein Stück ihrer Abstraktion genommen. Andererseits kann es durch das unmittelbare Hinschauen gelingen, Geschichte neu zu emotionalisieren und damit gleichzeitig die Lokalgeschichte zu de-idyllisieren. Ziel der aufeinander aufbauenden Themenfelder soll die Vermittlung von Sozialgeschichte und Umweltbewusstsein sein. Das Projekt ist deshalb zukunftsweisend, da es einen nachhaltigen Umgang mit regionaler Geschichte und Wirtschaftsweise verspricht. Erreicht werden soll das durch aktive Zusammenarbeit von lokalen Einrichtungen mit der Bevölkerung. Insgesamt geht es um die Schaffung eines den Dialog fördernden Ortes, der der Reflexion von Geschichte und Gegenwart dient. Oberstes Ziel ist es, damit den individuellen Blick auf die Gegenwart zu stärken und damit einen kleinen Beitrag zur Entwicklung der Demokratie zu leisten.